Das Regierungssystem auf Bundesebene

Grundgesetz als Bundesverfassung



    Die Bundesverfassung der Bundesrepublik Deutschland erhielt den Namen Grundgesetz. Dies sollte den provisorischen Charakter hervorheben, da es sich nur um eine Übergangsverfassung bis zur Gründung eines gesamtdeutschen Staates handeln sollte. Der Verfassungsprozess wurde mit Übergabe der Frankfurter Dokumente am 1. Juli 1948 durch die Oberkommandierenden der westlichen Besatzungszonen an die Ministerpräsidenten der dortigen Bundesländer eingeleitet. In diesen Dokumenten wurde ein demokratisches, föderalistisches Regierungssystem und die Garantie der persönlichen Freiheitsrechte gefordert. Die Verfassung wurde durch den Parlamentarischen Rat entwickelt. Der wichtigste Streitpunkt war die Gestaltung der föderalen Ordnung. Sie trat am 23. Mai 1949 für die ganze damalige Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Das Grundgesetz sollte ursprünglich nur bis zur Herstellung der Deutschen Einheit gelten, wurde aber, nachdem es sich mehr als 40 Jahre bewährt hatte, nach dem Beitritt der bisherigen Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik ohne große Änderungen beibehalten. 

    Im Grundgesetz wurden die zentralen Bürger- und Menschenrechte bewusst an den Anfang der Verfassung gestellt. Diese Rechte werden in den ersten 19 Artikeln des Grundgesetzes zusammengefasst. Danach beschreibt es den zentralen Aufbau des politischen Systems und legt die Organe des Bundes und deren Kompetenzen und Beziehungen fest. Art. 79 Abs. 3 GG schützt das Menschenwürdegebot, den Kern der Menschenrechte, die bundesstaatliche Ordnung der Bundesrepublik und Art. 20 GG. 

    Das Grundgesetz kann nur durch eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten im Bundestag und Bundesrat geändert werden. Über die Einhaltung der Verfassung wacht das Bundesverfassungsgericht. 


Legislative auf Bundesebene: Bundestag und Bundesrat

  Die Legislative der Bundesrepublik verabschiedet Bundesgesetze und wacht über den Bundeshaushalt. Zur Legislative im Bund gehören der Bundestag und der Bundesrat. Nur die Abgeordneten des Bundestages werden direkt vom Volk gewählt und besitzen damit ein freies Mandat. Die Bundesratsmitglieder besitzen ein sog. imperatives Mandat, das heißt sie sind weisungsgebunden. Auch sind diese Organe im Gesetzgebungsweg unterschiedlich gewichtet. Daher ist der Bundesrat keine mit dem Bundestag gleichwertige zweite Kammer. Die Bundesversammlung als aus den Abgeordneten des Bundestages und Delegierten der Landtage, die diesen nicht angehören müssen, bestehendes Bundesverfassungsorgan wählt den Bundespräsidenten. Auch die Bundesrichter werden durch die Richterwahlausschüsse von Bundesrat und Bundestag gewählt. 

Bundestag


  Der Bundestag beschließt Bundesgesetze, wählt den Bundeskanzler sowie als Teil der Bundesversammlung den Bundespräsidenten, wacht über den Bundeshaushalt, kontrolliert die Regierung, beschließt Einsätze der Bundeswehr, bildet Ausschüsse zur Gesetzesvorbereitung und kontrolliert die Nachrichtendienste. 

Der Abgeordnete ist zwar nach dem Grundgesetz unabhängig von seiner politischen Partei oder anderen Interessengruppen, betrachtet man jedoch die Verfassungswirklichkeit, sieht man den starken Einfluss der Fraktionsdisziplin. Die Abgeordneten der einzelnen Parteien einigen sich meist vor einem Gesetzesvorhaben auf ein gemeinsames Abstimmungsverhalten. Abweichungen können innerparteilich sanktioniert werden, da die erfolgreiche erneute Kandidatur eines Abgeordneten stark von der Unterstützung seiner Partei abhängt. Hüter der Fraktionsdisziplin ist der Fraktionsvorsitzende. 

Bundesrat



     Die Mitglieder des Bundesrats werden von den Landesregierungen der Länder entsandt. Er ist kein rein legislatives Organ, da er beispielsweise bei bestimmten Bundesverordnungen Mitspracherecht hat. Er wurde geschaffen, um die Mitwirkung der Länder an Bundesgesetzen zu gewährleisten, wenn diese die Belange der Länder betreffen. Er ist stets beim Gesetzgebungsprozess beteiligt, sein Veto kann jedoch überstimmt werden, wenn ein Bundesgesetz nicht zustimmungsbedürftig ist. 

   Jedes Land erhält nach der Zahl seiner Einwohner im Bundesrat 3–6 Stimmen, diese Stimmen können pro Land nur einheitlich abgegeben werden. Sind sich die in der Landesregierung des jeweiligen Landes vertretenen Parteien über das Abstimmungsverhalten im Bundesrat uneins, stimmen die Vertreter des Landes üblicherweise mit Enthaltung ab, was jedoch de facto als Neinstimme gilt. Bei Konflikten zwischen Bundesrat und Bundestag kann der Vermittlungsausschuss angerufen werden. Die Sitzungsleitung im Bundesrat hat der Bundesratspräsident inne, der gleichzeitig Vertretung des Bundespräsidenten ist. 

Exekutive auf Bundesebene

Bundespräsident



    Das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik ist der Bundespräsident. In bewusster Abgrenzung zur Machtfülle des Reichspräsidenten der Weimarer Republik, die zur Instabilität der politischen Situation in der Weimarer Republik beigetragen hatte, hat das Grundgesetz dem Amt des Bundespräsidenten nach 1949 ein anderes Profil gegeben. Dieses liegt jenseits der Tagespolitik und hat vor allem einen integrativen, richtungsweisenden und überwachenden Schwerpunkt. Gleichwohl beinhaltet das Amt des Bundespräsidenten das Recht und die Pflicht zum politischen Handeln und ist nicht auf rein repräsentative Aufgaben beschränkt. Die Funktionen des Amtes sind durch das Grundgesetz (Art. 54–61) definiert. Wie der Bundespräsident diese Aufgaben wahrnimmt, entscheidet er grundsätzlich autonom; ihm kommt diesbezüglich ein weiter Gestaltungsspielraum zu, auch bezüglich seiner Meinungsäußerungen. 

    Der Bundespräsident wirkt, neben der Wahrnehmung seiner politischen Befugnisse, kraft seines Amtes auch repräsentativ, sinnstiftend und integrativ. Neben der völkerrechtlichen Vertretung des Bundes und zahlreichen formal und protokollarisch bedeutenden Aufgaben, besitzt der Bundespräsident wichtige Reservevollmachten, die ihm besonders in Krisenzeiten staatspolitische Aufgaben von erheblicher Tragweite zuweisen. 

    Innerhalb des politischen Systems wird der Bundespräsident keiner der drei klassischen Gewalten zugeordnet, sondern er verkörpert als Staatsoberhaupt die „Einheit des Staates“. Er wird deswegen manchmal als eine „Gewalt sui generis“ angesehen. Der Bundespräsident wird in diesem Kontext auch als „neutrale Kraft“ (pouvoir neutre) bezeichnet werden. 

    Der Bundespräsident wird durch die Bundesversammlung auf 5 Jahre gewählt und kann für eine zweite Amtszeit wieder gewählt werden. 

Bundesregierung




    Die Exekutive in der Bundesrepublik Deutschland setzt Gesetze und Verordnungen des Staates um. Je nach Gesetzeslage besitzen die Organe der ExekutiveErmessenspielräume. Jeder Bürger hat das Recht, die Verwaltungsakte, also konkretes Handeln der Exekutive, die ihn betreffen, durch die Verwaltungsgerichte überprüfen zu lassen. Die Exekutive ist insbesondere an das Grundgesetz gebunden. Jedem Bürger ist es möglich, nach voll ausgeschöpftem Rechtsweg, im Einzelfall Verfassungsbeschwerdevor dem Bundesverfassungsgericht einzureichen, wenn er sich durch staatliches (exekutives) Handeln in seinen Grundrechten verletzt fühlt. Mitglieder der Exekutive auf Bundesebene sind beispielsweise die Bundesregierung (Bundeskanzler und Bundesminister), Bundesbehörden und deren Beamte, die Bundespolizei, das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Bundeswehr und das Auswärtige Amt. Bundeskanzler und Bundesminister bilden zusammen die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, umgangssprachlich auch oft Bundeskabinett genannt. 

Bundeskanzler



    Der Bundeskanzler ist der Regierungschef der Bundesregierung. Er wird durch die Abgeordneten des Bundestages gewählt. Hinter ihm steht meist eine absolute Mehrheit der Abgeordneten, die meist durch eine Koalition entsteht und als Kanzlermehrheit bezeichnet wird. Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen. Der Bundeskanzler besitzt nach dem Grundgesetz die Richtlinienkompetenz, bestimmt also die Grundzüge der Bundespolitik. Er kann vor Ablauf seiner Amtszeit nur durch ein konstruktives Misstrauensvotum abgelöst werden und durch eine Vertrauensfrage die Auflösung des Bundestags herbeiführen. 

    Der Bundeskanzler gilt als eines der politischen Machtzentren der Bundesrepublik. Gestützt auf die Bundestagsmehrheit hat er großen Einfluss auf die Bundesgesetzgebung. Wegen der wichtigen Rolle des Bundesrates in der Gesetzgebung und dem durch das Verhältniswahlrecht bedingten häufigen Zwang zur Koalitionsbildung in der Regierung ist seine Position allerdings nicht zu vergleichen mit der Machtfülle des britischen Regierungschefs (Premierminister). Insbesondere bei unterschiedlichen Mehrheiten in Bundesrat und Bundestag ist der Bundeskanzler bei der Gestaltung seiner Politik auf weitreichende Kompromisse angewiesen. 

Bundesministerium



    Die Bundesministerien organisieren die Verwaltung der Bundesebene. Die politische Leitung der Bundesministerien liegt bei den jeweiligen Bundesministern. Neben ihnen stehen an der Spitze der Ministerien die Staatssekretäre. Die Sacharbeit in einem Ministerium wird durch Fachreferate geleistet, an deren Spitze die Referatsleiter stehen. Mehrere Referate werden in den Ministerien zu Abteilungen zusammengefasst, die politische Verantwortung für die Arbeit der Abteilungen tragen die Abteilungsleiter. Staatssekretäre und Abteilungsleiter gehören zu den politischen Beamten und können von der Regierung jederzeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden. 

   Auch wenn die Spitze der Bundesministerien politisch bestimmt wird, kann man von relativ autonomem Handeln der Verwaltung ausgehen. Die Meinung und der Wille der Spitzenpositionen der Berufsbeamten (Referatsleiter) kann von der Politik nicht ohne weiteres ignoriert werden. Die Sanktionsmöglichkeiten der Minister sind durch das Beamtenrecht stark beschränkt. Einer großen Zahl Berufsbeamten stehen nur eine kleine Anzahl politischer Leitungspersonen vor. Die politische Kontrolle der Bundesverwaltung ist, verglichen mit den Verwaltungen in anderen Ländern, relativ schwach ausgeprägt. Bedeutend ist das vor allem, da die meisten Gesetzesvorlagen in den Bundesministerien vorbereitet werden. In den meisten Fällen nimmt die Politik erst spät und im geringen Maß auf die konkrete Gestaltung der Bundesgesetze Einfluss. 

   Der Bundeskanzler bestimmt Anzahl und Kompetenzbereich der Ministerien und die Minister. Meist legen die Parteien in den Koalitionsverhandlungen die Leitlinien fest und bestimmen Minister und Staatssekretäre personell. Zurzeit (2013) existieren 14 Bundesministerien. 

Judikative des Bundes

   Gerichte werden in Deutschland grundsätzlich nicht von selbst tätig. Sie müssen zur Entscheidung angerufen werden (Dispositionsmaxime im zivil- und öffentlichen Recht, Akkusationsprinzip im Strafrecht). Urteile werden auf der Grundlage von Gesetzen gesprochen. Bundesrichter werden durch den Richterwahlausschuss berufen. Sie sind nicht weisungsgebunden. Im Gegensatz dazu unterstehen Staatsanwälte den Justizministern von Bund und Ländern. 

Bundesverfassungsgericht



   Alle Tätigkeiten des Staates sind an das Grundgesetz gebunden. Über die Einhaltung dieses Grundsatzes wacht das Bundesverfassungsgericht. Jeder Bürger kann staatliches Handeln durch eine Verfassungsbeschwerde auf ihre Grundgesetzmäßigkeit überprüfen lassen. Andere wichtige Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts sind die Klärung von Streitfällen zwischen den Staatsorganen (Organstreit) und die Prüfung von Gesetzen auf ihre Verfassungsmäßigkeit (Normenkontrolle). Nur das Bundesverfassungsgericht kann ein Parteiverbot oder die Verwirkung von Grundrechten aussprechen. 
Weitere Bundesgerichte

   Auf Bundesebene haben die Bundesgerichte die Aufgabe, die Rechtsprechung der Gerichte der Länder zu vereinheitlichen. Für die ordentliche Gerichtsbarkeit ist derBundesgerichtshof (BGH) die oberste Revisionsinstanz. Als Revisionsinstanz beschäftigen sich die Bundesgerichte im Normalfall nur mit dem Verfahrensablauf und der gesetzmäßigen rechtlichen Würdigung des durch die Gerichte der Länder festgestellten Sachverhalts.

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